Korsetts
Figuren der Jahrhunderte
Die Idee, unsere Figur mehr oder weniger so natürlich, wie sie ist, zu präsentieren, ist noch gar nicht so alt. Für Jahrhunderte zuvor ist es gang und gebe gewesen eine künstliche Silhouette zu kreieren, immer passend zu der jeweiligen Mode. Sei es eine konische Form oder die berühmte Stundenglas-Figur.
Aber was ist ein Korsett eigentlich? Es handelt sich um ein eng am Oberkörper getragenes verstärktes Kleidungsstück. Zunächst gehörte es tatsächlich zur Oberbekleidung und die mit Fischbein verstärkten Teile waren mit dem Stoff des Kleides bezogen. Danach entwickelte sich das Korsett allerdings zu einem Teil der Unterkleidung.
Und warum wurde es getragen? Zum einen, um den Oberkörper entsprechend der vorherrschenden Mode zu formen. Dazu bietet dieses verstärkte Kleidungsstück die nötige Unterstützung sowohl für die Brust als auch für all die schweren Röcke und Unterröcke. Zum anderen sorgen sie für eine aufrechte Haltung.
Hier möchte ich gerne einige verschiedene Korsetts präsentieren, die ich passend zu meinen Projekten aus den Jahrhunderten angefertigt habe.
Dieses Exemplar nach einem Original von 1740 nennt sich strenggenommen noch Mieder oder Schnürbrust. Es besteht aus einem groben festen Leinen, einem bedruckten Baumwollstoff und ist vollständig mit synthetischem Fischbein verstärkt. Innen ist es zusätzlich mit einem weichen Leinenstoff gefüttert. Die Nestellöcher sind mit der Hand gearbeitet. So ein Mieder ist nicht dazu geeignet die Taille besonders eng zu schnüren, sondern dient vielmehr dem Zweck einen glatten Untergrund für die Oberbekleidung zu bilden.
Es wird über einem weißen Leinenhemd – auch Chemise genannt – getragen, welches nicht besonders figurbetont ist, denn es ist ausschließlich aus Recht- und Dreiecken zusammengesetzt, um möglichst keinen Verschnitt zu haben.
Hier sehen Sie ein Korsett, wie es in den 1850er und -60er Jahren getragen wurde. Es hat vorn einen Verschluss aus Metall und ist im Übrigen mit synthetischem Fischbein verstärkt. Zwei Schichten bilden das Kleidungsstück: Ein fest gewebter Baumwollcoutil für Stabilität und außen ein lindgrüner Seidentaft. Die Fischbeinkanäle sind oben und teilweise auch unten mit Stickereien verziert, um sie an ihrem Platz zu halten. Etwas weiße Spitze rundet die Oberkante ab.
Wie zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrhunderten üblich, wird eine Chemise getragen. Sie folgt am Halsausschnitt der typischen Form der Zeit und ist auf den Schultern oben geknöpft, um sie unter den weitausgeschnittenen Abendkleidern verschwinden zu lassen.
Bereits einige Jahre in Mode ist auch die Unterhose. Sie ist am Taillenbund ebenfalls zu knöpfen und verbindet dort die ansonsten einzelnen Hosenbeine.
Meine Interpretation ist recht schlicht gestaltet aus einfachem Baumwollbatist mit einem Einsatz von antiker Lochspitze.
Über den historischen Kontext lässt sich sagen, dass die Taille in der 1850er und -60er Jahren wohl eine der schmalsten in der Modegeschichte ist, was allerdings zum Teil auch auf die optische Täuschung der riesigen Röcke und bauschigen Krägen zurückzuführen ist.
Die Korsetts der 1890er Jahre unterscheiden sich nur optisch nur leicht von ihren Vorgängern. Um die besonders kurvenreiche Stundenglas-Figur zu formen, besteht das Korsett aus vielen Einzelteilen. Der Metallverschluss an der Vorderseite ist löffelförmig und durch seine leichte Wölbung im Bereich des Bauches auch besonders bequem. Die formgebende Schicht ist wieder ein Baumwollcoutil mit einem zart apricot gefärbten Seidentaft. Über den Nähten der Einzelteile ist das Korsett mit dreireihigen Fischbeinkanälen verstärkt. An der Oberkante ist es mit etwas weißer Spitze verziert.
Unter dem Korsett befindet sich eine Neuheit: Chemise und Unterhose sind hier zu einem einzigen Kleidungsstück kombiniert. Bei der Konstruktion haben ich mich an einem berühmten erhaltenen Original aus dem MET-Museum orientiert. Weißer Baumwollbatist ist hier über und über mit Spitze verziert.
Von der Form her unterscheidet sich dieses Korsett sehr von seinen Vorfahren aus den vorangegangenen Jahrzehnten. Es endet bereits unterhalb der Büste, ist dafür aber auch über die Hüfte verlängert. Seine Aufgabe ist nicht mehr, eine besonders kurvige Figur zu erzeugen, sondern, im Gegenteil, die Figur optisch etwas zu glätten und gerader erscheinen zu lassen. Es ist nicht mehr übermäßig verstärkt, sondern kommt mit einigen wenigen Fischbeinstäben über den Nähten und an der Schnürung aus und diese reichen auch nicht einmal bis zum unteren Saum.
Meist werden Korsetts jetzt massenproduziert und bestehen nur noch aus einer einzelnen Schicht fest gewebtem Baumwollstoff. Ich habe mich hier allerdings für eine elegantere Variante entschieden und meines mit einem cremefarbenen Seidentaft bezogen. Zarte rosa Schleifenstickereien halten das Fischbein an seinem Platz.
Da das Korsett bereits unter der Büste endet und so keine Unterstützung mehr bietet, kommt der Büstenhalter in Mode. Auch wenn Frauen bis heute formende Wäsche tragen, so verschwindet doch das Korsett nach und nach aus den Kleiderschränken.